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Isak

"Meine Mitbewohner*innen waren zum Tatzeitpunkt daheim und haben mich schreien gehört, aber sie haben nichts getan. Ich habe sie gefragt warum und sie meinten nur, dass sie dachten er wäre ein Freund von mir. Als ob sexuelle Gewalt nicht auch in schlechten Freundschaften vorkommen kann..."

Ich bin in einem sehr dysfunktionalen Umfeld aufgewachsen und direkt nach meinem Schulabschluss weit weg gezogen. Ich habe in einer neuen Stadt in einer WG gewohnt und angefangen zu arbeiten, egal was, Hauptsache Geld um mir mein Leben zu finanzieren.

 

Leider hatte ich mit einem Arbeitskollegen kein Glück, da er ziemlich übergriffig war und nach nicht allzu langer Zeit anfing mich zu stalken, Telefonterror veranstaltete und eines Tages auch plötzlich vor meinem Haus stand. Ich war so fertig mit den Nerven, und dachte er hört auf, wenn ich ihn hereinlasse. Natürlich war das die dümmste Entscheidung überhaupt.

 

Wir gingen in mein Zimmer und relativ schnell danach fingen die ersten Übergriffe an, welche immer schlimmer wurden.

Ich war so geschockt und verstört, hatte nicht die Kraft mich gegen ihn zu wehren, auch weil er viel größer als ich war.

Anfangs sagte ich ihm noch, dass ich das nicht will, aber er wurde immer brutaler und meinte er hört erst auf, wenn es mir gefällt. Also habe ich mich ganz ruhig gestellt und gewartet, bis er fertig war.

Ich lag danach wie erstarrt in meinem Bett und bin in einem Moment, in welchem Bewegung wieder möglich war, auf die Toilette gerannt und habe mich eine halbe Stunde dort eingeschlossen, bis er gegangen ist.

 

Meine Mitbewohner*innen waren zum Tatzeitpunkt daheim und haben mich schreien gehört, aber sie haben nichts getan. Ich habe sie gefragt warum, und sie meinten nur, dass sie dachten, er wäre ein Freund von mir. Als ob sexuelle Gewalt nicht auch in schlechten Freundschaften vorkommen kann...

 

Auf der Arbeit habe ich mich gewehrt zusammen mit ihm zu arbeiten und ihn konstant ignoriert, obwohl ich jedes Mal so Panik hatte, und mein Dienstplan wurde umgeschrieben. Das fiel aber den anderen auf und ich wurde gefragt was los sei, da erzählte ich von dem Vorfall.

Einen Tag später riefen die Managerin und zwei ihrer Assistentinnen mich zu ihnen ins Büro. Ich wurde eine halbe Stunde lang runtergemacht, dass meine Erzählungen das Arbeitsklima verschlechtern und wir weniger Umsatz deswegen machen würden und wenn ich noch einmal darüber reden würde, wäre ich gefeuert, ich war ja noch in der Probezeit.

 

Ich war psychisch echt am Ende und hatte keinerlei Unterstützung und musste mich irgendwann krankmelden.

Kurze Zeit später bin ich dann tatsächlich gefeuert worden. Ich habe dort zwar nie wieder über das Thema geredet, aber hatte einen Zusammenbruch und wurde deshalb für mehrere Monate in einer Klinik behandelt. Ich hatte zu viele Krankheitstage für die.

Aber das war okay. Ich bin ja wirklich im wahrsten Sinne des Wortes wegen den Taten und dem Umgang damit durchgedreht.

 

Ich habe mich irgendwann dazu entschlossen, ihn anzuzeigen, leider ohne Erfolg. Aber damit habe ich auch gerechnet. Ich wollte einfach das Gefühl haben etwas getan zu haben; und wollte, dass bei ihm ein Übergriff vermerkt ist und falls er das nochmal tut und das Opfer beschließt ihn anzuzeigen, es zu einem Verfahren kommen kann.

 

 

Inzwischen ist das Ganze gut 3–4 Jahre her. Wenn ich jetzt daran denke, dann ist es nicht mehr schlimm und tut auch nicht mehr weh.

Was aber noch immer schlimm ist, wie mit mir umgegangen wurde und ich, als ich schon am Ende war, noch mehr in den Wahnsinn getrieben wurde.

 

Ich hoffe, dass sich all' die, die ihn geschützt haben, sich irgendwann dafür vor ihrem Gewissen verantworten müssen und merken, was sie damals getan haben.

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